Ich hatte mich zu entscheiden ob ich lieber ein Buch lesen, es als Hörbuch vorgelesen bekommen, oder es als Verfilmung ansehen möchte.
Ich habe mich für alle drei Varianten entschieden, der Vollständigkeit halber und um die Wirkungen miteinander vergleichen zu können.
Die Worte in meinem Kopf in Bilder zu übersetzen (also Buch oder Hörbuch zu konsumieren) hat meine Vorstellungskraft beansprucht und damit vergrößert.
Da ich das letzte halbe Jahr überwiegend mit negativen Bildern im Kopf gelebt habe, und es sich um einen schönen Fantasieroman handelte, war dies ein äusserst angenehmer Kontrast, der mich daran erinnerte, wie wichtig es ist, gute innere Bilder zu haben, und was das aber auch erfordert: Bewusste Auswahl von positivem Input, bewusst positive Gedanken machen, bewusst die Vorstellungskraft trainieren.
Das Buch als Medium gab mir die beste Möglichkeit mich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen. Er wurde nicht weiter verfälscht durch Stimme oder Tonalisierung im Hörbuch oder durch alle möglichen cinematographische Entscheidungen im Film, und ich konnte in meiner eigenen Geschwindigkeit lesen. Dadurch wurden Details klarer. Es hat meine volle Aufmerksamkeit erfordert, wodurch ich die meisten Vorstellungen bekam, und am vielseitigsten interpretiert habe.
Das Hörbuch war aber vom Buch nicht weit weg was die Inanspruchnahme meiner Vorstellung angeht; zumindest verglichen mit dem Film.
Beim Film war meine Vorstellungskraft nämlich fast komplett ausgeschaltet. Ich konnte ein bisschen über cinematographische Entscheidungen nachdenken, aber das war’s auch. Ansonsten war es eher mentale Mästung.
Dennoch, oder gerade deshalb, bin ich am ehesten dazu geneigt, die nächste Episode (es handelt sich um eine Buchreihe) als Film zu konsumieren!
Kurz die Begriffe “Vorstellung” und “Fantasie” zu unterscheiden:
Vorstellung soll heissen: Etwas, was man in Form von Worten o.Ä. von aussen zugetragen / kommuniziert bekommt in innere Bilder zu übersetzen.
Fantasie soll heisen: Eigene innere Bilder zu erschaffen.
Nicht ich habe das Buch geschrieben, sondern die Autorin. Das hat sie erledigt, und sie ist wohl diejenige die von allen wahrscheinlich den größten Spaß an dem Buch hatte, indem sie es schrieb.
Sie setzte ihre Fantasie ein um Geschichten und Bilder in ihrem Kopf aus ihrem Erfahrungsschatz und aus ihrer Kreativität heraus zu erschaffen, und übersetzte diese dann in Worte.
Wenn ich das jetzt “genial” nennen möchte, fällt mir folgender Satz von Cicero ein:
“Die Zeiten sind schlecht. Kinder gehorchen ihren Eltern nicht mehr und alle schreiben ein Buch.”
– Dieser Satz ist über 2000 Jahre alt.
Heute sind die Zeiten schlecht, weil alle sich auf OnlyFans vor der ganzen Menschheit prostituieren. Da hat sich was verändert.
Es fällt nicht mehr nur schwer ein Buch zu schreiben, es fällt gar schwer ein Buch nur zu lesen.
Die Anstrengung zu erledigen selbst zu denken und selbst zu fantasieren wird einem vielleicht allzu oft abgenommen. Sich dem Bilderbombardement auszusetzen (“noch ein bisschen scrollen…”) ist, hart ausgedrückt, vielleicht ein bisschen so, wie sich selbst Sprühlack auf’s dritte Auge zu ballern.
Wenn es schwer fällt selbst schöne Gedanken zu machen, vielleicht durch schwierigere soziale Verhältnisse, Skandalpresse (eine Krise nach der anderen), persönliche Probleme und gespaltene Gesellschaft etc. pp. lässt man sich das Fantasieren lieber abnehmen – man glaubt man käme sowieso nur auf schlechte Gedanken, und dass man vor der Wirklichkeit flüchten müsse. Oder sei es gar nur aus Langeweile. Oder aufgrund perfider, süchtig-machender Methoden von Content-Anbietern.
Hier vermute ich einen Teufelskreis. Lässt man die eigene Fantasie verkümmern und frisst statt dessen Input von aussen, so wird es einem vielleicht eher noch schlechter gehen. Input von aussen bringt einen nur sehr selten näher zur eigenen Wahrheit, wesentlich öfter verängstigt er einen vielleicht nur noch mehr – wenn man sich eben nicht bewusst damit ausseinandersetzt, womit man sich ausseinandersetzt.
Gleichzeitig verkümmert dabei Fantasie und Vorstellungskraft – und man braucht den fertigen Input von aussen deshalb mehr und mehr. Kann das sein? Nur eine Theorie.
Optimistisch bin ich aber trotzdem. Ich habe nämlich den Eindruck, dass es auf allgemeineres Verständnis stößt, dass die Dinge, denen man sich aussetzt, großen Einfluss auf uns haben.
Und mir ist aufgefallen, dass es wichtig ist meine eigene Fantasie zu üben.
Es ist schließlich doch so, dass ich mich dazu entscheiden kann, ob ich mir die Fantasie ganz abnehmen lasse, wenn ich einen Film ansehe, oder ob ich doch noch zumindest meine Vorstellungskraft benutze, indem ich ein Buch lese, oder ob ich doch gar die inneren Bilder selbst erschaffe, indem ich selbst fantasiere.