Interaktive Medien

Zu “Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit”

Das Buch ist nicht gut gealtert.
Es wird nicht ein einziges Mal das Wort “Medium” genannt, statt dessen wird die Kamera und das Mikrofon bei der Aufnahme eines Filmes mit dem Publikum verwechselt.
“Abspielapparate gehen gar nicht, Leinwände sind hingegen in Ordnung.” – OK Boomer.
Benjamin behauptet, dass die Geschichte seiner Besitzer die Aura eines Kunstwerkes ausmachen.
Dass jede Kopie eine eigene Geschichte, eine eigene Aura hat, wird nicht erwähnt. Zugänglichkeit und Demokratisierung scheinen mir als Entwertung verstanden.
Ist für Benjamin die Blaupause das Element in der Reproduktion, welches die Aura trägt? Ist es das Drehbuch? Oder der einzigartig auf einem Server vorhandene und geheime PHP-Code, welcher HTML generiert?
Das Wort “exklusiv” ist im Allgemeinen positiv besetzt, aber für mich überhaupt nicht. Übersetzt bedeutet es “ausschließend”. Was ist positiv daran ausgeschlossen zu sein bzw. andere auszuschließen?
“Seltenheit” von Luxusgütern, Sammlertrieb, Elite sein, exklusiv sein… Ich halte es für albern bis asozial dass Einzigartigkeit so wichtig sein soll. “Das ist meins!!!” 😀 Das ist meiner Auffassung nach nur das Armutszeugnis über ungenügend Rechenleistung zu verfügen und sich deshalb asozial verhalten zu müssen.
Im Virtuellen kann das nicht mehr als ein Spiel sein. I love it. Wie albern ist es, Exklusivität im virtuellen Raum künstlich zu erzeugen? 100%! (Nachtrag vom 16.03.2021: Siehe NFT)
Darum hat für mich das Bild “Schwarzes Quadrat, Rotes Rechteck” an Wert gewonnen, als herauskam, dass es kein Malewitsch-Original ist. Ich habe es mir in Form einer Postkarte an die Wand geklebt.
Ausschweifend: Im Nachwort werden als die wichtigsten Apparate das ästhetisierte Maschinengewehr und die Kamera genannt. Die Zeit, in der hier Apparate hauptsächlich auf künstlerische Weise für Kriegszwecke verwendet wurden ist hoffentlich lange vorbei, und die vielen neuen Apparate haben so viel Neues erschlossen, dass ich kaum glauben mag, dass die kunsttheoretische Lücke zwischen Benjamin 1936 und heute nicht kanonisch gefüllt wurde. Auch Flusser wusste 1990 noch nicht, was Virtualität bedeutet. Am allermeisten stört mich an dieser Lücke, dass auch heute noch kaum einer über die künstlerischen, subversiven oder sublimen Potentiale von Interaktion spricht. Dabei ist Pong ist bald 50 Jahre alt. Scheint mir als übersähe ich etwas oder als höre die Wissenschaft hier in vielen Fällen mit ihren Geldgebern auf. Ich sehe nur Peter Weibel als Zeitgenosse, der sich hier nicht scheut.