Interaktive Medien

All posts by giers.io

Glückliche Umstände, Leihweise

Am selben Abend noch, von der Höhe des Hotels in 2000 Metern wie be-
schwipst, sprudelte aus seiner frohen Seele so viel Zauberkraft ins Umfeld, daß
er ein Ehepaar, das sich auf die einsame Höhe des Berghotels zurückgezogen
hatte, um ihre Trennung zu ordnen, umstimmte. Sie glaubten wieder ans ge-
meinsame Leben, leihweise. Noch ungläubig, sahen sie nicht mehr ein, warum
sie in rechnerischer, sparsamer Weise sich auseinandergesetzt hatten, über ihre
wechselseitigen Verlangen haderten, wenn sie doch einander zur Verfügung
hatten als wertvolle Menschen. Bestrahlt von dem Gemüt des neu Angekom-
menen, in dem unter den Luftdruckverhältnissen der Höhe das Blut wärmend
pulste, der sozusagen seinen Überschuß genoß, warteten sie nicht länger. In
Gedanken fielen sie einander in die Arme, noch saßen sie am Rauchtischchen,
und erkannten sich als die, die sie waren: Leute, die es schon lange miteinander
aushielten und nicht gewußt hatten, was für einen Schatz sie in ihrer unmittel-
baren Umgebung verwahrten.

Alexander Kluge

Eine Hoffnung

17. Jahrhundert. René Descartes haut den Satz raus “Ich denke, also bin ich”.
Das Mittelalter war ethisch und philosophisch nicht so wie wir heute sind, es ging um das Kollektiv, nur die Tatsache dass man Teil der Hierarchie war zählte. Dienen. Dann kam dieser Mann und dachte an sich, an das Ich. So entstanden im selben Jahrhundert Selbstportraits von Menschen die es auf einmal für gerechtfertig hielten (sich selbst darzustellen) sich als Individuum zu sehen. Die Menschen wurden sich selbst-bewusst. Der Individualismus entstand, und mit ihm gingen viele Tore auf. Das war ein Umbruch im Denken.
Seit dem gab es viel Entwicklung in dieser Philosophie des Egos, des Individuums, das ja sehr spannend sein kann, aber auch viel Schaden mit sich bringt, der Kapitalismus stützt sich auf diese Philosophie. Doch das wird langsam verstanden, die Menschen erkennen, dass sie zu viel an sich selbst denken, die Menschen erkennen wie es leichter geht, dass die Liebe einen glücklicheren Weg bereit hält, und die Solidarität zueinander und die Zurückstellung des Egos. Mehr und mehr Menschen fangen an mit der ganzen Welt zu vergleichen, eines der wenigen positiven Resultate der Globalisierung. Muss diese überhaupt schlecht sein, wenn es ein globales Ändern im Denken gibt? Der nächste philosophische Schritt, der Altruismus, der Holismus. Damit sich das Loch in den Herzen der Menschen, die Negativität und Hoffnungslosigkeit, die Unfähigkeit zur Erkenntnis der Schönheit überall um uns rum nicht mehr bodenlos scheinen muss, sondern narblos geheilt werden kann, durch Bewusstsein im Jetzt, für die Anderen mit positiver Grundhaltung. “Hey, nichts ist so wichtig für mich dass du es nicht haben sollst, wirklich nicht.”
Ich glaube das wäre wunderbar. Jetzt brauch es nur noch ein paar Helden die noch laut genug sein können…

Zum Thema Holismus

Bild

Häuptling Seattle (1786-1866) um 1860

Im Jahre 1855 unterbreitete der 14. Präsident der Vereinigten Staaten den Duwamish und Suquamish, einem mittlerweile ausgestorbenem Indianervolk im heutigen Bundesstaat Washington, das Angebot, ihr Land weißen Siedlern zu verkaufen und sich in ein Reservat zurückzuziehen.[1]

Glaubt man den Überlieferungen, dann war den Indianern zu dieser Zeit diese Vorstellung fremd. Sie verstanden nicht, wie man überhaupt Land kaufen und verkaufen kann.

Entsprechend soll Seattle, der Häuptling der Duwamish, in seiner Rede an den “großen Häuptling der Weißen” seine Verwunderung zum Ausdruck gebracht haben:

“Wenn wir die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers nicht besitzen – wie könnt Ihr sie dann von uns kaufen? (…) Wir sind ein Teil der Erde, und sie ist ein Teil von uns”.[2]

Den Indianern war jeder Teil der Erde heilig, “jede glitzernde Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den dunklen Wäldern, jedes summende Insekt.”[3]

Die Duwamish teilten die holistische Betrachtungsweise, wonach Menschen, Tiere, Pflanzen und unbelebte Natur auf einer Stufe stehen:

“Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, die Rehe, das Pferd, der große Adler – sind unsere Brüder. Die felsigen Höhen, die saftigen Wiesen, die Körperwärme des Ponys – und des Menschen – sie alle gehören zur gleichen Familie. (…) Die Flüsse sind unsere Brüder – und Eure – und Ihr müßt von nun an den Flüssen Eure Güte geben, so wie jedem anderen Bruder auch”.[3]

Denn das wissen wir, die Erde gehört nicht den Menschen, der Mensch gehört zur Erde – das wissen wir”.[4]

In seiner Rede an den amerikanischen Präsidenten soll Häuptling Seattle auch eindringliche Warnungen an die Weißen gerichtet haben, die aktueller sind, denn je:

“Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde; was immer den Tieren geschieht – geschieht bald auch dem Menschen. Alle Dinge sind miteinander verbunden. Was der Mensch der Erde antut, tut er sich selbst an”.[5]

Nachdenklich soll sich der Indianer-Häuptling geäußert haben: “Vielleicht könnten wir Euch verstehen, wenn wir wüßten, wovon Ihr träumt”.[6]

Wie es scheint, haben in den USA die Anthropozentriker die Holistiker vertrieben.

Yeah!

Bild

Be good to them today and they’ll be good to you tomorrow!

– Natty –

 

Das Glück beruht oft nur auf dem
Entschluß,
glücklich zu sein.

 Lawrence Durrell (1912-90), anglo-ir. Schriftsteller