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Fantasy-Land schwächelt

Kultureller Einfluss kommt fraglos am mächtigsten aus den USA.

An der Westküste in Kalifornien ist San Francisco mit Silicon Valley und den größten Internetdienstanbietern, sowie Los Angeles mit Hollywood und den entsprechenden Filmproduktionen. Musik und Kunst werden weitgehend vorgegeben aus der Ostküste – genauer, New York.
Jedes dieser vier Standbeine des Fantasy-Lands erleidet derzeit Vertrauensverlust.
Ich erkenne hierfür drei Gründe:

1. Eine neue Transparenz welche nun erblicken lässt wie diese Systeme aufgebaut sind und welchen menschlichen Preis sie kosten.
– Beim Internet ist es die Datenkrake und der Versuch der Zentralisierung eines im Wesen dezentralen Systems.
Wir haben Zuckerberg vor Gericht gesehen und die psychischen Schäden der Moderatoren von Social Networks. Ausserdem war die Idee von Bezos und Musk den Mars zu besiedeln dumm – sie ist zu zynisch und erschreckend weit weg von realen Problemen.
– Beim Film sind es die Skandale mit Weinstein, Epstein und Maxwell, die so ekelerregend sind dass ich sie nicht weiter ausführen will, aus Angst meine Homepage könnte nur aufgrund der Ausführung dieser Geschichten irgendwo geblacklisted werden.
– Bei der Musik ist es hauptsächlich die ungerechte und obfuse Verteilung der Gelder, aber auch, dass heutige Superstars oft Kinder oder Idioten sind, da sich diese den Vorgaben der Identity Designer einfacher fügen, lässt sie leicht erkennbar nur schlechte Vorbilder sein.
– Bei der Kunst ist es etwas anders – sie ist schon immer eher Interesse einer kleineren Gruppe, aber auch hier muss derzeit sehr viel überlegt werden wie man z.B. als Museum mit den Transformationen der neuen Zeit mithalten kann – lokale Exklusivität aufrecht erhalten oder auch an die breite Masse gehen via digitaler Kunstausstellung mit all ihren neuen Facetten? NFTs sind ein unglaublicher Markt!

2. Übersättigung durch inflationäres Angebot moralisch fragwürdiger Inhalte / Darstellungen von Menschenfeindlichem / Die Themen sind Out.
– Mit Netflix ist der Einsatz von Kunstblut nochmal in die Höhe gegangen. Horror, Porno und Folter auch in Virtual Reality – man hat zu viel davon.
– Krieg ist out, Russlandbashing nervt, Propaganda wird viel eher erkannt und als abstoßend empfunden.
– Der Spuk um künstliche Intelligenz wird rückwirkend als Marketingfarce verstanden.

3. Vertrauensverlust gegenüber den USA selbst – Trump und George Floyd.

Eine weitere Idee ist: Da die ganze Welt immer besser Englisch verstehen kann wechseln Spieler und Zuschauer ihre Rollen.
Im August sind die Gerichtsverhandlungen mit Ghislaine Maxwell. Interessant ist, dass es zu diesem Komplex bereits seit Jahren Film- und Serienproduktionen gibt – es wird selbst dies zur Show, zu Entertainment. Man möchte bezahlen für diese Geschichte. Das passt vielleicht zu Grund 2, muss man aber differenziert betrachten. I’ll only be watching the real show, as in, what’s actually happening in court!

PS: Vielleicht könnte es unsere eigene Konjunktur ankurbeln wenn wir diese Formen der Kreatitivät nun bei uns stärker fördern. Ich wünsche mir zum Beispiel ein gutes europäisches Social Network und Friedensfilme die eine alte Freundschaft zu Russland wieder herstellen könnten bitte. Ausserdem habe ich viele Freunde die Musiker sind – sie finden neue Formen der Distribution ihrer Arbeit, das finde ich sehr interessant.
Ich konzentriere mich aber auch auf dieses Thema da ich Sklaverei und Ausrottung der Ureinwohner Amerikas sowie 250 Jahre lang Krieg auf ausländischem Boden fast ohne Unterbrechung immer noch nicht verziehen habe. Ich befürchte hier einer niederen Motivation zu unterliegen.

Positiver Input macht fit

“Fake News!” werden erkannt aber “Gift für den Kopf” aus dem Entertainment wird trotzdem gefressen.
Ein Potential von Kunst ist, dass sie einen Menschen ebenso konditionieren kann wie eine reale Begebenheit. Das Unterbewusstsein kann Fiktion und Realität nicht gut voneinander unterscheiden.
Man sollte darauf achten, womit man sich auseinandersetzt. Positiver Input macht fit.

Superlativ

Einmalige Erlebnisse im Leben eines Menschen, wie, die größte Liebe des Lebens zu finden, passieren derzeit im Schnitt alle 2,77 Sekunden auf der Welt.
(Ein Erlebnis pro Menschenleben – Erlebnisse, die jeder Mensch ein mal macht. Weitere Beispiele: Geboren werden, sterben)

PS:
“Optimismus ist nur ein Mangel an Informationen.” – Heiner Müller
“Pessimismus, muss man wissen, ist nur ein Mangel an Informationen.” – Wolf Lotter

Zu “Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit”

Das Buch ist nicht gut gealtert.
Es wird nicht ein einziges Mal das Wort “Medium” genannt, statt dessen wird die Kamera und das Mikrofon bei der Aufnahme eines Filmes mit dem Publikum verwechselt.
“Abspielapparate gehen gar nicht, Leinwände sind hingegen in Ordnung.” – OK Boomer.
Benjamin behauptet, dass die Geschichte seiner Besitzer die Aura eines Kunstwerkes ausmachen.
Dass jede Kopie eine eigene Geschichte, eine eigene Aura hat, wird nicht erwähnt. Zugänglichkeit und Demokratisierung scheinen mir als Entwertung verstanden.
Ist für Benjamin die Blaupause das Element in der Reproduktion, welches die Aura trägt? Ist es das Drehbuch? Oder der einzigartig auf einem Server vorhandene und geheime PHP-Code, welcher HTML generiert?
Das Wort “exklusiv” ist im Allgemeinen positiv besetzt, aber für mich überhaupt nicht. Übersetzt bedeutet es “ausschließend”. Was ist positiv daran ausgeschlossen zu sein bzw. andere auszuschließen?
“Seltenheit” von Luxusgütern, Sammlertrieb, Elite sein, exklusiv sein… Ich halte es für albern bis asozial dass Einzigartigkeit so wichtig sein soll. “Das ist meins!!!” 😀 Das ist meiner Auffassung nach nur das Armutszeugnis über ungenügend Rechenleistung zu verfügen und sich deshalb asozial verhalten zu müssen.
Im Virtuellen kann das nicht mehr als ein Spiel sein. I love it. Wie albern ist es, Exklusivität im virtuellen Raum künstlich zu erzeugen? 100%! (Nachtrag vom 16.03.2021: Siehe NFT)
Darum hat für mich das Bild “Schwarzes Quadrat, Rotes Rechteck” an Wert gewonnen, als herauskam, dass es kein Malewitsch-Original ist. Ich habe es mir in Form einer Postkarte an die Wand geklebt.
Ausschweifend: Im Nachwort werden als die wichtigsten Apparate das ästhetisierte Maschinengewehr und die Kamera genannt. Die Zeit, in der hier Apparate hauptsächlich auf künstlerische Weise für Kriegszwecke verwendet wurden ist hoffentlich lange vorbei, und die vielen neuen Apparate haben so viel Neues erschlossen, dass ich kaum glauben mag, dass die kunsttheoretische Lücke zwischen Benjamin 1936 und heute nicht kanonisch gefüllt wurde. Auch Flusser wusste 1990 noch nicht, was Virtualität bedeutet. Am allermeisten stört mich an dieser Lücke, dass auch heute noch kaum einer über die künstlerischen, subversiven oder sublimen Potentiale von Interaktion spricht. Dabei ist Pong ist bald 50 Jahre alt. Scheint mir als übersähe ich etwas oder als höre die Wissenschaft hier in vielen Fällen mit ihren Geldgebern auf. Ich sehe nur Peter Weibel als Zeitgenosse, der sich hier nicht scheut.

Postmodernes

Wikipedia:

Liminalität ist ein vom Ethnologen Victor Turner geprägter Begriff. Er beschreibt einen Schwellenzustand, in dem sich Individuen oder Gruppen befinden, nachdem sie sich rituell von der herrschenden Sozialordnung gelöst haben. Turner unterscheidet im Rückgriff auf Arnold van Gennep bei den Übergangsriten drei Phasen: die Trennungs-, die Schwellen- und die Angliederungsphase. Liminalität befindet sich in der zweiten Phase, dem Schwellenzustand. Beispiele sind die Initiationsriten archaischer Gesellschaften oder Revolutionen industrialisierter bzw. moderner Gesellschaften. Während der liminalen Phase befinden sich die Individuen in einem mehrdeutigen Zustand. Das Klassifikationssystem der (alltäglichen) Sozialstruktur wird aufgehoben. Die Individuen besitzen weder Eigenschaften ihres vorherigen Zustandes noch welche des zukünftigen – sie sind „betwixt and between“.

Das ist postmoderner Zeitgeist. Ungebunden, frei, schwerelos, stoisch, depressiv, nirwanös, akzeptant, nicht-zugehörig. Der Glaube, eine universelle Wahrheit ohnehin nicht erkennen zu können. Das Verständnis dafür, dass man in der Position eines Anderen ebenso handeln würde. Der “Nullpunkt”, wie in Fight Club beschrieben. Postmodern betrachtet ist Gruppenzugehörigkeit Ausgrenzung.
Rollenspiele schaffen Abhilfe gegen die hierdurch entstehenden Unmenschlichkeiten wie Schwerelosigkeit, Einsamkeit. “Schuld sind die Computerspiele!” 😀