Es mag wirken, als habe bei medialer / digitaler / apparativer / elektronischer Kunst immer ein Aspekt des Inhaltes mit ihrer technischen Umsetzbarkeit zu tun.
Jacquard bewies mit seinem Webstuhl am 19. April 1805 als Erstes, dass sich theoretische Mathematik durch Komputation real manifestieren kann. Diese Magie zieht sich durch sehr viele Kunstwerke hindurch, welche auf technischer Logik in welcher Form auch immer beruhen. Das ist schon ganz ausgenudelt, und ich halte es fast für eine Respektlosigkeit Herrn Jacquard gegenüber, dies ständig wiederholt zu sehen, obwohl dieser Beweis vielleicht weniger Jacquards Anliegen war als effektives Weben.
Gute Werke medialer Art emanzipieren sich von diesem Thema, indem sie garnicht oder ganz konkret, aber nicht immernoch in Ehrfurcht vor dem “Es ist möglich!”, mit ihm umgehen. Von Letzterem gibt es aber bereits auch schon viel.
Es ist gegeben, dass wir mit Computern fast perfekte Illusionen, gar neue Realitäten schaffen können. Leider ist die Erstellung interaktiver digitaler Räume derzeit noch so aufwendig, dass fast ausschließlich die Industrie dieses Medium prägt.
Kreativ gestaltete logische Topologien, durch die der Rezipient selbst navigieren muss und dabei tatsächliche Erfahrungen macht lässt Kunst dieser Art fast als so etwas wie ein Erinnerungsimplantat wirken, “das geht ganz tief rein”. Wie sie in der Medizin und beim Militär eingesetzt wird unterstreicht dies. Vor Allem Virtual Reality.
Es entsteht hierbei eine interessante Rückläufigkeit: Nachdem die Mathematik aus der Theorie durch den Computer (Webstuhl) in die Realität überführt wurde können wir mit dieser Technologie heute wiederum jede Fantasie erschaffen.
Aber egal!
Blog
Homunkulus
Das Thema des Homunkulus, des künstlichen Menschen, existiert schon ewig. Menschen wollen Menschen und Leben nicht nur auf natürlichem Wege, sondern auch künstlich erschaffen. Wir können das jetzt durch Gentechnik.
Ich hoffe, selbst eine Pflanze, die rein synthetisches DNA in sich trägt und deren Gensequenzen von einer AI assembliert wurden, die bis sie zum Spross wurde im Reagenzglas lebte, die also zu 100% keine organischen Vorfahren / Erschaffer hat, ist Teil unserer Familie. Künstliche Charaktere, die von Autoren oder Character Designern entworfen wurden, sind ebenfalls Teil der Familie geworden, Fantasiefreunde zum Beispiel.
[…]
Eine Beschreibung, Zeichnung und/oder Animation eines Charakters sehe ich als Vorstufe zum simulierten Charakter. Ich meine mit simuliertem Charakter einen “NPC” oder Roboter – also eine “Menschsimulationen” die über die vorher angesprochenen Aspekte hinaus interaktiv ist. Hierüber wurde noch äußerst wenig gesprochen im Vergleich dazu, wie viel daran gearbeitet wird. Ich möchte meinen es sei mittlerweile sogar schon eine weitere Stufe der Künstlichkeit hinzugekommen, die erreicht wird, wenn die Interaktion unvorhersehbar wird. Erst diese Unvorhersehbarkeit lässt den simulierten Charakter lebendig erscheinen. Sie lässt sich durch Zufallsfaktoren oder unverständlich große Komplexität (z.B. bekannt von neuester “AI”-Technologie aber auch von Defekten (-> z.B. Glitch)) erzeugen. Mehr zur “Unvorhersehbarkeit” aka dem “verborgenen Kausalkettenglied” aka “Magie” hier. Durch diesen Komplex entsteht heutzutage immer öfter die Annahme so ein Wesen könnte bewusst oder gar lebendig sein.
Folgender Textabschnitt (bis zum Ende des Beitrages) ist veraltet und von meiner eigenen Angst geprägt (nicht mehr aktuell):
Es gibt noch nicht einmal eine fixe Definition von Intelligenz. Der “Lernzprozess” bei AI dauert jedenfalls ewig. Iterative Algorithmen dieser Art, die sich verbessern und ewig lang zum Rechnen brauchen, gibt es schon fast so lange wie es Computer gibt (bei Kalibrierung zum Beispiel) – nur, dass man das jetzt so sehr “Lernen” nennt, ist neu.
Die Möglichkeit Bewusstsein zu berechnen ist nicht gegeben. Wir haben nicht verstanden, wie das Bewusstsein funktioniert, und es ist unmöglich etwas zu simulieren oder zu synthetisieren, von dem man nicht weiß, was es eigentlich genau ist. Dennoch ist Kunst, die bewusst zu sein versucht, vielleicht auch gute Bewusstseinsforschung.
Und auch Leben mathematisch darzustellen ist unmöglich. Der Begriff Leben hängt seitens der Biologie von Faktoren ab, die auch besagen, dass Leben zellulär sein muss.
AI ist eigentlich nur ein langweiliges Werkzeug zur Tabellenkalkulation, wenn man so will. Ich finde es trägt einen irreführenden Namen.
Man kann über eine Maschine niemals richten, nur über den / die Erschaffer/in.
Auch die Verantwortung über die Auswahl der Datensätze für Deep Learning (Bemerkung: ursprünglich ein Begriff aus der Traumforschung) bleibt immer bei den Menschen.
Für am Gefährlichsten halte ich die gemeinsamen Begriffe aus Biologie und Computerwissenschaft. Hier trägt vieles den selben Namen, was nichts miteinander zu tun hat. “Neuronen”, “neuronales Netz”, “Axiome”, “Vision”, “Sprache”.
Ob Sprache rein logisch verarbeitet werden kann wüsste ich gerne mal. Wie real sind Grammatik / Chomsky?
Ich weiß, dass “Computer Vision” nur bedeutet mathematische Formeln auf Tabellen anzuwenden, die man sich wie folgt vorstellen kann:
Rot | Grün | Blau | |
---|---|---|---|
Pixel 1: | 100 | 50 | 0 |
Pixel 2: | 100 | 52 | 3 |
… | .. | .. | .. |
Pixel 2013049: | 52 | 54 | 78 |
Klassische Bildinformationen.
Diese Werte maschinell zu verarbeiten ist nicht “Sehen” im herkömmlichen Sinne. Da findet eigentlich noch nicht einmal ein “Lesen” der Tabelle statt.
Da geht eben Strom an und aus, aber es ist zu kompliziert zu erklären, deswegen müssen diese Abstraktionen sein.
Dies sind also Synonyme, welche unerlässlich für Programmierer sind, um effektiv arbeiten zu können.
Für die breite Masse sind diese Synonyme ein Betrug. Computer funktionieren nicht wie wir.
Dabei lenken diese Synonyme unsere Aufmerksamkeit darauf, dass wir das nicht verstehen. Dabei ist es überhaupt nichts besonderes, dass niemand dies genau versteht. Das ist doch mit ganz vielem so.
Andrew Glassner hat auf der FMX einen Workshop gehalten, in dem er ebenfalls vor missverständlicher Terminologie warnte. Es nervte ihn richtig nicht darum herum zu kommen diese Worte verwenden zu müssen, als er innerhalb eines Tages fundiert erklärte, wie Deep Learning funktioniert. Sehr empfehlenswert!
Unter’m Strich bleibt:
Dr. Frankenstein ist eher Gentechniker als Informations- oder Elektrotechniker.
Infosphäre – Begriffsgeschichte, meine Position
Der Begriff “Info-sphere” taucht erstmals 1980 in „The Third Wave“ (Zukunftsforschung Informationstheorie) von Alvin Toffler auf.
Luciano Floridi (Wiki: “ethische Gestaltung globaler vernetzter Kommunikationssysteme wie dem World Wide Web und Theorie Autonomer Agenten im Forschungsfeld der Künstlichen Intelligenz”) konkretisierte den Term als “semantischen Raum, bestehend aus der Gesamtheit der „Dokumente“, der „Agenten“ und ihren „Operationen“”.
Peter Weibel (Wiki: “Künstler, Ausstellungskurator, Kunst- und Medientheoretiker”, Kopf des ZKM Karlsruhe) greift ihn auf für Medien(kunst)historie, Gegenwarts- und Zukunftsforschung, Ausstellungen. Das Bundeszentrum für politsche Bildung veröffentlichte 2003 “Die Politik der Infosphäre” mit Untersuchungen zur Thematik neue techno-Globalität.
Ich interessiere mich für den Faktor “Zeit” in der Infosphäre.
Zeitreisen durch Webseiten ist mit der waybackmachine möglich.
Zeitreisen durch Code und Text mit git.
Google Earth fehlt ein Zeitstrahl.
Gemeinsamkeit von Künstlicher Intelligenz und Zufall
Magisch ist, wenn wir etwas nicht verstehen, und wissen, dass wir es nicht verstehen.
Wenn wir glauben etwas verstanden zu haben, dann ist es nicht mehr magisch.
Wenn wir aber wissen, dass wir etwas nicht verstehen, so reizt es. Es entsteht vielleicht Angst vor dem Fremden oder Neugier.
Es reicht schon aus ein einziges Kettenglied einer kausalen Kette zu verschleiern, im Verborgenen zu lassen, um Magie zu erzeugen, beziehungsweise ein einziges Kettenglied einer kausalen Kette von Ereignissen nicht wahrzunehmen, um etwas als magisch zu (miss)verstehen.
Es gilt hier zu unterscheiden ob etwas Natürliches oder etwas Künstliches nicht verstanden wird.
Wenn wir Menschgemachtes, wie z.B. Technologie, nicht verstehen, nenne ich das eine “dreckige” Magie. Im Gegensatz, wenn wir (Achtung, schon wieder eine Metapher) Aspekte Gottes, Naturphänomene, z.B. Quantenmechanik oder dunkle Materie, nicht verstehen, dann nenne ich das “reine” Magie.
Warum Kettenglieder in moderner Technologie nicht mehr verstanden werden
1. Noch mehr Terminus: Wir sind dazu geneigt Eigenschaften von Apparaten metaphorisch zu beschreiben. Strom “fließt”. Selbst die Wissenschaft besetzt in zwei sehr unterschiedlichen und voneinander abgetrennten Bereichen deshalb die selben Begriffe für unterschiedliche Dinge – die “neuro-science” und “computational neuro-science” teilen sich sogar fast den selben Namen. Die Begriffe wurden von der Neurowissenschaft als biologische Begriffe geprägt und werden nun für Technik, die etwas völlig anderes ist, verwendet. Das generiert Missverständnisse.
2. In einem modernen Prozessor befinden sich zehn Milliarde Transistoren auf drei mal vier Centimeter Fläche, und die sind überall um uns herum. Da blickt kaum jemand mehr durch.
Von diesen beiden Punkten ist bekannt, dass sie sich entmystifizieren lassen.
3. Künstliche Intelligenz kam wieder groß ins Gespräch weil generierte Algorithmen nicht mehr nachvollziehbar sind. Und dann wurde diese Angst mit Videospielen beworben.
Gängig ist an diesem Punkt die Annahme, dass sich eine durch Deep-Learning generierte KI nicht mehr entmystifizieren lässt. Dies ist allerdings nicht korrekt, es werden praktische Zerlegungsmechaniken (“reverse-engineering methods”) für KI entwickelt, theoretisch lässt sich der Algorithmus jeden KI-Models nachvollziehen.
Ich habe Menschen kennen gelernt die zwischen Mensch und Maschine nicht mehr unterscheiden können.
Aber genug der schlimmen Dinge.
Black Boxes dieser Art sind Erreger weil wir wissen wollen was drin ist. (Fast alle Mikrochips und viele Computer sind tatsächlich schwarze Kisten.)
So wie die komplexesten Maschinen, künstliche “Intelligenzen”, magisch sind weil, sie von niemandem mehr verstanden werden, so ist der Zufall magisch weil von niemandem verstanden wird warum etwas passiert.
Ein Ereignis ist zufällig, wenn mindestens ein Ereignis, welches zu dem Ereignis führte, nicht sichtlich ist / Kettenglied der Kausalkette verschleiert. Das nenne ich die Gemeinsamkeit von Zufall und künstlicher Intelligenz.
Der Unterschied ist, dass jeder Zufall erst enttarnt werden kann, wenn die Weltformel bekannt ist.
Transparentdesign ist deshalb so wichtig um die Macht darüber zu erlangen, selbst entscheiden zu können ob man sich verzaubern lässt oder statt dessen versteht. (Sichtbarkeit aller Kettenglieder versus Unsichtbarkeit mindestens einen Kettengliedes)
Walter hat viel mit der Magie des Zufalles gearbeitet, genau wie mit der Magie komplexer elektronischer Maschinen und beides miteinander verbunden. Gleichzeitig hat er das Transparentdesign entwickelt. Mein erster Gameboy erlaubte mir Einsicht in dessen Elektronik aufgrund seiner transparenten Plexiglashülle. Das hat Walter als Erster bewusst gemacht. Sein ganzes Schaffen begründete auf dem Außeinandernehmen, dem Disassemblieren, dem Zerlegen eines (kaputten) Röhrenradios. Und dass er der erste war mit dem Transparentdesign, das glaube ich, weil er es mir sagte. Needs further research
Zusatz: Entdeckung, dass Kausalkettenglieder auch durch “Defekte” verborgen werden – Glitchkunst – needs further research
Sohn, mach keine Gesichter
In diesem Blogeintrag fingen meine Gedanken zu diesem Thema an.
Wir wissen, dass der Mensch stark dazu veranlagt ist Menschen zu erkennen, mit Menschen zu interagieren, Menschen zu machen, oder zumindest etwas, was als Menschenhaft identifiziert werden kann.
Diese immer selben Lieder wurden in bekannten Seifenopern vielfach ausgiebig behandelt.
Videospiele überwinden die Seifenoper, wenn sie Charaktere höchstens als funktionelles oder ästhetisches Stilmittel nutzen, diese aber nicht zentral positionieren.
Was Videospiele statt dessen zum Beispiel können, ist, mit realitätsüberwindenden Mechaniken zu arbeiten. Physik wird simuliert und kann dadurch künstlerisch zerbrochen werden.
H.P. Lovecraft schrieb seine Bücher, damit “die ärgerlichen Beschränkungen von Zeit, Raum und Naturgesetz, die uns ständig einkerkern und unsere Wißbegier über die unendlichen kosmischen Räume jenseits unseres Blickfeldes und unserer analytischen Fähigkeiten zunichte machen, aufgehoben oder gesprengt sind.” (aus “Über das Schreiben unheimlicher Geschichten” von H.P. Lovecraft).
Das halte ich für eine gute Motivation, und eine, die der eines mMn guten Videospielentwicklers vielleicht ähnlich ist.
Ich bringe dies an, da ich erfahren habe, dass viel mehr Künstler Seifenopern machen als ihnen selbst lieb wäre. Die verlieben sich in ihre Charaktere oder bleiben sonst wie an ihnen hängen, und erzählen immer wieder nur die Geschichte dieser erfundenen Persona, während sie statt dessen auch etwas spannendes erzählen könnten.